Die wenigsten Dinge beginnen ja bei Null. Bekanntlich hat alles eine Vorgeschichte. Und just als ich vor über einem Jahr Papa fragte, ob er mich mal auf ein Treffen mitnimmt, meinte er, daß das noch dauern könnte. Und als ich fragte, warum, meinte er, weil man Treffen erst veranstalten müsse, damit dann jemand hingehen kann. So auch hier: Entsprechend früh konnte ich immerhin wesentliche Einblicke in Planungszusammenhänge von „Rollerfritzen“ gewinnen. Ich habe dabei zwar nicht immer alles verstanden (vermutlich weil ich noch nie Kassenwart war), aber ich erzähle es trotzdem. Noch vor der Weihnachtsfeier hatte Kelle [im weiteren Text nur noch der „Obergefreite“ genannt – kurz: OG] wohl erste Planskizzen im Rechner visualisiert. Alles freilich in enger Absprache mit dem Herrn Präsidenten His Robinousness [im weiteren Text nur noch die „Oberste Heeresleitung“ genannt – kurz: OHL].
Entsprechend geschäftig warf sich das niedere Fußvolk an die nicht immer in klaren Umrissen beschriebene aber doch am Horizont erkennbare Arbeitsfront. Es wurden diverse Webseiten bei verschiedenen Providern neu designed, alte Veranstaltungsordner entstaubt und heraus gekramt, Versicherungen angeschrieben, Finanzplanungen grob kalkuliert, Einladungen verschickt, allmontäglich Arbeitstreffen veranstaltet, wo der OG die Richtlinien der OHL nochmal nachbesprach, nachdem sie vorher per E-Mail – gut getarnt als Flyer-Debatten – via Club-Verteiler Verbreitung gefunden hatten. Es wurden Ausstellungskataloge in Buchform vorbereitet, in Keller gelagert, Ausfahrten geplant, Personal geschult, Akrobatik geübt, Nighter- DJs angerufen, Getränke und Verpflegung gekauft und Leute von sonstwoher in meinem Zimmer daheim einquartiert. Ich fragte Papa mehrmals, was das alles mit Rollerfahren im Besonderen zu tun hätte. Aber erklären konnte er es mir nicht. Hätte auch für den Bierdeckel-Club sein können. Ist jetzt egal.
Ich wollte endlich mal echte Rollerfahrer treffen. Also, was das ordentlich knattert. Mit Zylindereinlaß. Und ohne Sicke am Kotflügel. Und nicht aus dem Kombi oder auf den Hänger ge- bzw. verladen. Am 28. Juli 2006 war es soweit, mein großer Tag. Oh boy, yes. Mein erstes Treffen! Nicht mehr nur Western, nein jetzt gab’s auch Country. Hamdullilah.
Und tatsächlich: Am Freitagmittag waren sie da. Karlakolumna und Klingelkasper. Welche Freude! Ich hab gleich zwei Milchflaschen leeren müssen, um erstmal klarzukommen. Da kamen zwei mit Regenkombi und Gepäckträger. Echte Rollerfahrer! Bislang dachte ich, dass es (außer Onkel Tobi und Marcello) keine solchen mehr gibt. Die beiden kamen nach Zwischenstopp zur Übernachtung kurz vor München am Vormittag angerollt. Von Hannover aus gestartet! Eine original motorisierte GS/3 und eine GL mit dem mittlerweile langweilig obligaten T5- oder PX-Aggregat. Beide Herren waren sehr nett und hätten mich sicher auch auf ihren Fahrzeugen herumkrabbeln lassen, wenn es Papa nicht verboten hätte. (Spielverderber!) Egal. Erstes Treffen: sehr schön. Man könnte sagen, man wird mit Roller besucht. Am Abend gingen die Herren mit Papa dann „zum Nighter“. Angeblich war da die ganze Nacht (bis 6 in der Früh) Remmidemmi und Papa schenkte an der Theke aus. Tolle Wurst. So eine Begeisterung, wie sie dort angeblich gezeigt wurde, möchte ich mal erleben, wenn ich um 4 Uhr aufwache und „anna Theke“ Milch haben will. Vielleicht sollte ich den DJ (Champ) mal nach der von ihm gespielten Musik fragen. Die scheint ja einiges möglich zu machen. Ich war so sauer, dass ich gar nicht mehr wissen wollte, wie es nun war. Aber ich schweife ab.
Am Samstag, gleich früh morgens, wies Tobi in kameradschaftlicher Vertretung für Vatern, der irgendwie unausgeschlafen war, die Händler auf einem Teils des Innenhofs des Deutsche Museums ein, denn Papa war mit dem Besuch irgendwie erst zu Hause, als ich eben gerade mal wach wurde. (Sagte ich schon, dass ich sauer war?) Und dann mußte auch schon alles Mögliche ab- bzw. umgebaut werden. Zu den Highlights zählten für mich, als ich mit Mamma eine Exklusivbegutachtungsrunde machte, im Eck hinten ein grandioser Zeltaufbau mit SeiGiorni-Replica, der echt coole VW-Bus mit passendem Frontfahrzeug von „Andal“ und Tom, sowie die TAP oben auf dem Vorplatz. Andererseits standen da so derart viele Roller (der OG sagte ja immer „Kisten“) herum, dass es fast wieder eine Schande ist, irgendwelche nicht erwähnt zu haben. Man verzeihe meiner Krümelperspektive. Da ist man leicht überfordert. Ganz im Gegensatz zu den wackeren Clubfrauen und -männern an der Kasse. Da war alles geboten und wurde alles gemeistert. Ich hab nix gemeistert. Höchstens die Treppe zur Ausstellung im Bibliotheksaufgang. Von dort kam auch der Salut-Schuss von der OHL (mit der TAP und mehr Konfetti als der Lehra Lametta an einer GS cool fände und das ist unglaublich viel). So ging alles wunderbar dahin. Top Ansprache der OHL, leckeres Essen vom Baguette/Sandwich-Stand, wo Mamma Fahrschüla sich sehr nett um mich bemühte und eine lustige Tombola gab es, wo man eine „Schrott-VNA“ (O-Zitat Pappa) gewinnen konnte. Ja, und dann kam irgendwann die Akrobatik. Abgefahren! Wirklich! Das war so denkwürdig, das gibt es heute noch auf Postkarten. Und man stelle sich vor, die wären hingefallen … Daneben unzählige andere Figuren auf engstem Raum entlang der „Kanalauffahrt“ am Museum. Onkel Tobi mit Zigarette ganz entspannt, während der eine oder andere Akrobat unter dem weißen Strampelanzug Lambrettatata-Shirts herauszog. (Ich hatte ja überlegt, ob man den Kindern mal sagen sollte, dass sie wie Malergehilfen aussehen, aber dann dachte ich, dass auch nicht jedem in der Krabbelgruppe meine Sabberlätzchen gefallen und hielt mich zurück.) Die OHL muss jedenfalls beim Anblick des Lambretta-Shirts dem Herzinfarkt noch näher gewesen sein als beim supergefährlichen Sprung durch den Reifen mit anschließendem Rahmenbruch. Ja. So war das. Aber schön. Echt schön. Das gefiel auch vielen nicht ganz so passionierten Rollerfreunden. (Mir aber eh. Ist ja alles mein erstes Treffen wie gesagt!) Und dann? Dann war Ausfahrt. Und die war selbst wieder so imposant, das nicht nur unzählige Passanten staunend stehenblieben, sondern sogar die eine oder andere GS/4 am Siegestor. (Papa musste das dann gleich kommentieren: „Soll der Binning von den Veteranen schreiben, was er will, das ist das miesere Modell.“) Die Stadt hat so etwas jedenfalls lange nicht gesehen. Ich Papa dann auch nimmer, denn es ging gleich weiter zum Aufbau in den Löwenbräukeller. Dorthin, wo bereits 1956 die Eurovespa stattgefunden hatte. (Später am Abend, als es zum DJ Leo überging, hätte man meinen können, es seien auch fast nur Leute von damals da gewesen, die dann alle aus Altersgründen um 22 Uhr heim mussten. Komisch war das wohl tatsächlich, als nur noch Münchener „Jugend“ zwischen 15 und 35 da war. Aber ich erzähle wieder zu schnell.)
Das ganze war echt edel und mit Top-Menu präsentiert. Am Eingang zur Festhalle gab es Photostände mit Aufnahmen vom Innenhof des Deutschen Museums vom Dach aus. Am besten gefiel mir dort das Photo mit der aus rotem Teppich gelegten „60“. Das sah nicht schlecht aus. Auch wenn leider die ganz vorne im Innenhof stehende Reihe der V98-Modelle nicht mehr drauf war. Zumindest nicht auf meinem. Aber auch die vielen sonstigen Bilder und Erwerbsmöglichkeiten waren beständige Publikumsmagnete. Nur die – ohnehin teils unmögliche – Bedienung war etwas verwirrt, wie es mir schien. Könnte aber auch an Lehras Anzug gelegen haben. Der saß da nämlich an der Abendkasse. (Und hatte bei seinem Outfit wie Fahrschüla und Kelle auch wohl nicht bedacht, das man auch noch ein bisschen würde abbauen müssen. Naja, ging wohl trotzdem. Ich springe ja auch mit Jeans ins Planschbecken. Zurück zur Feier: Die Halle war festlich geschmückt und noch die Menü-Karten auf den Tischen waren eigens für den Anlass gestaltet worden. Nach lockeren Einführungsklängen von einer recht lustigen Band ging es auch gleich ans Buffet bei. Dia Huber blendete tolle Videos von irgendwelchen Treffen der 60er Jahre mit einem unglaublichen, den ganzen Saal durchleuchtenden Beamer zu lockerer musikalischer Untermalung ein, wie überhaupt der Bühnenaufbau beeindruckend war. Dar waren Jan und Tobi (mit diversen HelferInnen) am Werk, das sah man gleich. Und so plätscherte der Kram dann locker flockig dahin, die eine oder andere Lichtgestalt der Ortsverbandshierarchie stand auf und fühlte sich berufen, unterschiedlich toll inspirierte Reden aufzusagen und Präsente zu überreichen, für die sich noch mancher Gammel- Antiquar schämen würde. Papa sagt, das gehöre dazu – wie in der Politik.
Was das ganze mit Rollern zu tun hat, habe ich trotzdem nicht verstanden. Aber dazu bin ich wohl noch zu klein. So wie ich zu klein war, das Desaster an der Bar zu erleben, als Leo wie gesagt irgendwann ab ca. 22 Uhr für die verbliebenen 12 Leute auflegte und irgendwann einfach abgebaut wurde. Muss an Rausschmiss gegrenzt haben. Das war ein bisschen (sehr) schade. Ich bin aber eh recht früh heim, weil ich von der vielen Aufregung so müde war. So müde, dass ich mich auch am nächsten Tag noch gedrückt habe, als mich Papa zum Aufräumen mitnehmen wollte. Verpasst habe ich aber wohl nur den Anblick, der sich beim Aufsperren der Pretiosen-Garage unten am Hof des Deutschen Museums ergab. Das muss selbst Jan noch feuchte Augen beschert haben. Egal wie, es verlief auch beim Schlussräumen alles prima, gab keinen Ärger, es fehlten keine wichtigen Sachen am Ende, die Kasse ging auf, nirgends waren von 3 Tagen Ausstellung erhebliche Standschäden an Fahrzeugen entstanden und mich beschäftigt ja seit der ganzen 3-Tagesaktion nur eine Frage: Was ist nächstes Jahr? David (mit Hilfe von Lacknase)